Rund um Oberstdorf: Ein perfektes Wochenende im Allgäu
Diesmal hatten wir so viel Glück: Unsere Stadt schmorte bei über 30 Grad in ihrem Kessel voller Feinstaub und wir brausten den Gipfeln, Almen und kühlen Bergseen entgegen.
Einer der großen Vorzüge von Süddeutschland besteht darin, mal eben übers Wochenende in die Alpen entfleuchen zu können. Wir zum Beispiel können in zwei Stunden Oberstdorf, Deutschlands südlichstes Städtchen, erreichen. Dass es an diesem langen, knallig sonnigen Fronleichnams-Wochenende drei wurden, konnten wir gut verschmerzen, so prächtig haben wir uns erholt.
Vier Tage lang rundum entspannte, glückliche, prächtig schlafende Kinder (= entspannte, glückliche, prächtig schlafende Eltern) – Wie haben wir das geschafft?
Bester Standort im Allgäu mit Kindern
Nicht nur der Kinder wegen will man an seinem kostbaren Wochenende möglichst wenig im Auto sitzen. Eine strategisch gelegene Unterkunft findet man in den drei idyllischen „Hörnerdörfern“ Ofterschwang, Bolsterlang und Obermaiselstein, die viel ruhiger und hübscher gelegen sind als das nahe Oberstdorf.
Trotzdem ist man in einer Viertelstunde im Kleinwalsertal mit seiner grandiosen Hochalpen-Szenerie. Sollte diese malerischste Sackgasse Deutschlands bzw. Österreichs (bekanntermaßen gehts ja aus dem Kleinwalsertal nur rückwärts wieder raus) mal wieder zugestaut sein, kann man aber ebenso schnell zu attraktiven Zielen in andere Richtungen ausweichen. Einfach perfekt!
Unterkunftsempfehlungen erübrigen sich. An jedem zweiten Haus prangt ein „Ferienwohnung frei“ -Schild, sodass man getrost auch mit Kindern spontan losfahren kann. Nette Zweizimmer-Apartments mit Alpenblick finden sich oft schon für unter 100€. Wir hatten vorgebucht und es fast ein bisschen bereut angesichts der vielen attraktiven Alternativen im Ort. Also: Nur Mut zur Spontanität, im Allgäu ist noch jeder untergekommen, auch in den Schulferien.
Schon am Anreisetag ging es mit einem richtigen Knaller los, dem Kinderparadies
Alpsee-Bergwelt
Längste Sommerrodelbahn Deutschlands! 3 Kilometer lang, bis zu 30% Gefälle! Klar mussten wir da hin, unsere Fünfjährige liebt so etwas (auch wenn sie genauso wenig wusste, worauf sie sich da eingelassen hatte, wie wir…)
Nichtsahnend reihten wir uns also in die kleine Schlange am Sessellift ein und atmeten tief durch und auf, als sich der Bügel schloss. Ahhh, herrlich! Gibt es etwas Schöneres, um sich nach einer langen Autofahrt zu entstressen als das lautlose Schweben in einem fliegenden Sessel über die Baumwipfel, während sich unter einem peu a peu ein grandioses Panorama entfaltet? Die Beine baumeln in der frischen Bergluft, eine un-europäische Stille umfängt einen, tief unten glitzert der See in der Sonne…Selbst unsere quirlige Dreijährige wurde mucksmäuschenstill und verfiel in einen für sie ganz ungewohnten meditativen Zustand.
Der einzige Störfaktor bei diesem faulen Naturgenuss waren die permanenten Schreie, die von der nicht weit entfernten Rodelbahn herübergellten und uns zum ersten Mal zweifeln ließen, ob diese so ganz das Richtige für unsere zwei Kleinkinder sei….
Oben war dann erstmal Naturidylle angesagt. Wir ließen den Rummel um die Bergstation mit ihren Angst-(oder Jubel?-)Schreien gleich hinter uns und stiegen zur 15 Minuten entfernten „Oberen Kalle“ auf, eine rustikale kleine Alm mit Hasen, Hühnern, Spielplatz, einfachem Essen und grandiosem Weitblick.
Dieser kurze aber steile Weg ist von Kleinkindbeinen gut zu bewältigen. (Buggy geht auch, aber der darf natürlich nicht rodeln und muss mit der Seilbahn runtergeschickt werden.)
Zurück an der Bergstation dann die böse Überraschung: Eine Schlange ungefähr so lang wie der Weg zur „Oberen Kalle“! Klar, es war Fronleichnam, prächtige 28°C warm, was hatten wir erwartet?
Gottseidank waren wir zwei Elternteile, und die Bergstation bot (in weiser Voraussicht der Feiertags-Schlangen?)Kinderunterhaltung im Überfluss. Ich durfte mich also anstellen, und Papa ging Trampolinspringen und Spielplatz-Rumstehen. Ich fand meine Wahl gar nicht so schlecht, immerhin konnte ich ungestört die herrliche Aussicht genießen und dabei an meinem Teint arbeiten. Nur diese ständigen Angstschreie…
Nach 45 Minuten war die Stunde der Wahrheit gekommen. Papa mit der Großen voraus, in Sekundenschnelle waren sie aus unserem Blickfeld verschwunden. Ich klemmte mir meine furchtlose und vorfreudige Dreijährige zwischen die Knie. Sie hatte erst vor 2 Wochen das Mindestalter für diese Bahn erreicht und war die kleinste Mitfahrerin, die ich weit und breit entdecken konnte. Wenn das mal eine gute Idee war… Wir waren schon einige Coaster zusammen herunter gebraust, aber was jetzt kam, stellte meine Definition von „Sommerrodelbahn“ komplett auf den Kopf. „Berg-Achterbahn“ ist definitiv die einzig richtige Bezeichnung für diese mörderische Abfahrt. Statt der sonst üblichen Juchzer und „Sneller, Sneller!“-Rufe vernahm ich durch den Fahrtwind nur ein verzagtes: „Es wird immer steiler…“ Das konnte man wohl sagen, und so sah ich mich gezwungen, den Bremshebel die ganze fast 10 Minuten lange Fahrt über voll anzuziehen, um mein Töchterchen nicht vollends zu traumatisieren.
Kurzum: Es ist alles gut gegangen. Wir kamen unten an, ohne dass die Kleine in Tränen ausbrach, Papa und die Fünfjährige waren begeistert, Mama am Ende irgendwie auch.
Alles in allem ist der „Alpsee-Coster“ sicher die aufregendste Rodelbahn im Allgäu und lohnt sich schon allein wegen der herrlichen Auffahrt mit der Sesselbahn und des grandiosen Panoramas. Die Preise sind fair und Kinder unter 6 fahren umsonst. Nur mit eher ängstlichen Kleinkindern würde ich mir die Sache gut überlegen…..
Wir jedenfalls wuschen unseren Angstschweiß anschließend bei einem Bad im herrlich kühlen Alpsee herunter und waren spätestens dann wieder völlig entspannt. Es gibt dort mehrere kindergeeignete Badestellen, die man schon von der Straße aus sehen kann.
Tag Nr.2 versprach genauso schwülheiß zu werden wie der vorige, sodass sich wieder die Kombination kühle Bergluft+kühles Badewasser anbot. Beides fanden wir in Riezlern im Kleinwalsertal.
Kanzelwandbahn und Wasssererlebnispfad „Burmiwasser“
Wir stiegen bei schon morgens fast 30°C in unsere kleine Familiengondel der Kanzelwandbahn und verließen sie auf fast 2000 Metern in herrlich frischer, aber immer noch T-Shirt-tauglicher Bergluft. Zum Entzücken der Kleinen fanden sich überall am Weg im Juni noch Schneefelder, und Papa konnte seine Töchter durch einen Barfuß-Spaziergang dort schwer beeindrucken.
Dort oben ist ein wunderbarer (buggy-tauglicher)Wassererlebnispfad angelegt, der glücklichen Nachwuchs garantiert. „Burmiwasser“ hat nur einen entscheidenden Nachteil: Die Wandergeschwindigkeit verringert sich auf ca. einen halben Stundenkilometer oder kommt ganz zum Stillstand, wenn die kleinen Schleusenwärter, Staudammbauer und Wasserumleiter erstmal so richtig in Fahrt kommen.
Wer seinen Nachwuchs loseisen kann und sich ggf. an der Bergstation eine gratis Kraxe geliehen hat, kann anschließend zum Beispiel noch in ca. 40 Minuten zum Fellhorn wandern oder den Kanzelwandgipfel besteigen. Ich staune immer wieder, wie stramm manche Kleinkinder (meist österreichischer oder Schweizer Herkunft) in den Alpen marschieren. Unsere Dreijährige erwies sich dagegen mal wieder als echte Wanderbremse: Zu schwer für die Kraxe und zu klein zum länger laufen. Okay, wir neigen auch etwas zur Bequemlichkeit, und so zog es uns nach einem leckeren Mittagessen (Pommes mit Spielplatz) an der Bergstation wieder in die Hitze des Tales.
Ob der „Burmiwasser“-Spaß allein 28€/Erwachsener (alle Kinder gratis) für die Gondelbahn wert ist, sei dahingestellt. Wasserspaß gibts unten in Riezlern günstiger: Direkt gegenüber der Talstation findet sich ein wirklich hübsches Freibad mit Bergpanorama.
Dort vertrödelten wir den heißen Nachmittag, bis sich über der Kanzelwand bedrohlich schwarze Wolken zusammenzogen und wir gerade noch vor einem gewaltigen Wärmegewitter ins Auto fliehen konnten. Selbiges hatte sich abends schon wieder verzogen, sodass wir einen ausgedehnten Abendspaziergang durch unser hübsches Bolsterlang (mit Paradeblick aufs Nebelhorn) unternehmen konnten. Ich liebe den Juni für seine herrlich langen Abende, und wenn man um diese Zeit verreist, sind die Urlaubstage endlos. Für Kinder ist es ein großes Abenteuer, noch abends um 9 draußen herumlaufen zu dürfen, und umso besser schlafen sie danach:)
Entsprechend erholt und motiviert starteten wir am nächsten Morgen Richtung Breitachklamm bei Oberstdorf, um dort erstmal einen kleinen Schock in Form einer schon um 10 Uhr morgens geballten Touristenmasse am Eingang zu erleben.
Breitachklamm
Ja, sie ist spektakulär, definitiv eines der spannendsten Naturerlebnisse der Alpen, ein Riesenabenteuer für Kinder wie Erwachsene und dazu sogar mit Buggy befahrbar! Der Preis dafür sind Menschenmassen, die sich an jedem Ferien- und Wochenendtag so dicht gedrängt durch die Schlucht wälzen, dass das Naturerlebnis doch erheblich beeinträchtigt ist.
Egal, wir waren dort und wollten unseren Kindern die versprochene aufregende Schlucht nicht vorenthalten. Unseren Buggy wie einen Bulldozer vor uns herschiebend, bahnten wir uns einen Weg, und schon nach 10 Minuten wurde es wirklich abenteuerlich. Unter überhängenden Felsen manövrierten wir unsere Kinder auf dem glitschigen, schmalen Weg hoch über dem brodelnden Wildwasser. Das Geländer ist dort nicht wirklich kindersicher, sodass man die Kleinen nicht von der Hand lassen kann. Dafür können sie dort Naturgewalt hautnah erleben.
Die Klamm verengt sich schließlich dermaßen, dass nur noch ein schmaler Schlitz ganz weit oben Tageslicht hereinlässt und sich Bäume und gewaltige Felsbrocken zwischen den Wänden der Schlucht verkeilt haben. Nach diesem spektakulärsten Abschnitt müssen Buggys umkehren, alle anderen können über endlose Stufen hinaufsteigen und den Rundweg oberhalb der Klamm vollenden.
Für unsere Kleinkinder war dieser Hin-und Rückweg (ca. 45 Minuten zusammen) aufregend genug. Außerdem sehnten wir uns jetzt nach Ruhe und Naturidylle. Und die fanden wir!
Ofterschwanger Horn
Auf diesem Berg stimmte einfach alles: Nach einer wiederum wunderbar meditativen Sesselbahnfahrt entdeckten wir hier den ultimativen Kinderwagen-Panorama-Rundweg. Ohne Menschenmassen, dafür mit prächtiger Aussicht und herrlichen blühenden Almwiesen. Mit einer guten Stunde Gehzeit ist die Umrundung des Ofterschwanger Horns nicht nur perfekt für Buggys sondern auch für Kleinkindbeine.
Wer den Gipfel selbst erstürmen will, kann dies bei einem Abstecher auf halber Strecke in nur 10 Minuten tun. Und das Beste: Ist (wie bei uns) ein noch nicht gipfeltaugliches Geschwisterchen mit von der Partie, kann ein Elternteil damit ganz gemütlich von der einfachen Fahnengehrenalpe aus bei einer kalten Apfelschorle den Aufstieg beobachten.
Für Eltern ohne Buggy und mit sportlichen Kindern bieten sich von der Alpe aus noch andere Erweiterungsmöglichkeiten der Tour an.
Wir vier schwebten nach der gemütlichen Umrundung einfach nur glücklich und zufrieden ins Tal zurück. Da sich über dem Kleinwalsertal schon wieder ein Hitzegewitter zusammenbraute, steuerten wir einfach das nächste Freibad in entgegengesetzter Richtung an, nämlich das „Familien-Vital-Park“ in Sonthofen. Zwei Stunden konnten wir noch in dem chlorfreien Naturbad planschen, bis das von Süden heranziehende Gewitter auch über uns hereinbrach. Dieser donnernde Abschluss war wie das Ausrufezeichen zu einem weiteren rundum gelungenen Tag.
Für den Sonntag unserer Abreise hatten wir uns noch ein Highlight aufgehoben, den
Söllereck
Fast schon ein Muss für jeden, der im Allgäu mit Kindern unterwegs ist, ist der Söllereck bei Oberstdorf, der gerne als „Familien-Berg“ vermarktet wird. Rund um die dortige Kabinenbahn (15€ Berg-und Talfahrt, unter 6 gratis) wird für die Kleinen allerhand geboten. Nachdem wir die Kinder vom Spielplatz an der Bergstation losgerissen hatten, marschierten wir den „Naturerlebnisweg“ entlang, der auch für die Eltern ein Genuss ist. Teilweise führt er auf einem Plankenweg durch ein verwunschenes Hochmoor, dann wieder eröffnen sich grandiose Ausblicke ins Kleinwalsertal.
Unser Nachwuchs war schwer beschäftigt an den abwechslungsreichen Spielstationen. Nach etwa 30 Minuten führt der Weg plötzlich sehr steil bergab und kann nur noch mit Mühe und Not als Buggy-tauglich bezeichnet werden. Theoretisch kann man in 2-3 Stunden zurück zur Talstation wandern und dabei noch ein Bad im Freibergsee einlegen. Ohne Buggy sicher eine super Tour.
Da wir nachmittags gen Heimat düsen mussten, kehrten wir um, gondelten gemütlich ins Tal, nur um dort von zwei weiteren überdurchschnittlichen Spielplätzen (mit Hüpfburg) ausgebremst zu werden. Egal, dann eben noch ein Eiskaffe mit Panorama und Kuhgeläute…
Nur die Aussicht auf eine weitere Rodelbahn zum Abschluss konnte unsere Töchter aus diesem Kinderparadies weglocken.
Die Sommerrodelbahn am Söllereck ist nur halb so aufregend wie der Alpsee-Coaster, dafür genauso aussichtsreich, ohne Schlangen, preiswert und perfekt für Kleinkinder. Bequemerweise wird man auch wieder zum Start hochgezogen, kann also Buggy und Gepäck dort stehen lassen.
Ein runder Abschluss für ein kugelrundes, herrlich entspanntes Wochenende. Gewandert wird dann im nächsten Jahr…..
Rund um Oberstdorf gibts natürlich noch weitere familienfreundliche Unternehmungen. Empfohlen wurden uns u.a. die Tour durchs Gemsteltal, das Museumsdorf Gerstruben und die Tour auf den Besler (ohne Buggy). Das nächste sonnige Wochenende kommt bestimmt…
Literaturtipps:
Robert Theml: Die schönsten Erlebnistouren für Zwergerl im Allgäu, J.Berg-Verlag 2014
R.-R. Braun: Allgäu, Michael Müller Verlag 2014
Habt ihr weitere Tipps oder Fragen zum Thema „Allgäu mit Kindern“? Nur zu!
16. Juli 2016 at 5:49
Liebe Susi,
ein sehr anregender Artikel, vielen Dank für die vielen Tips!
Eine Frage: mit was für einem Buggy ward Ihr unterwegs?
Kann man die Wege am Söllereck und Osterschwanger Horn auch mit einem „normalen“ MacLaren Buggy laufen?
Sehr empfehlenswert mit Kleinkindern sind übrigens auch das Oberstdorfer und das Reichenbacher Moorbad.
Herzliche Grüße,
Fanni
16. Juli 2016 at 9:13
Liebe Fanni,
wir hatten nur einen ganz einfachen Reise-Buggy dabei. Das Ofterschwanger Horn war damit völlig problemlos. Der „Naturerlebnisweg“ am Söllereck war wie erwähnt nur etwa zur Hälfte buggy-tauglich, sodass wir statt Rundweg hin und zurück gelaufen sind. Auch das hat sich gelohnt, fanden wir.
Viel Spaß im Allgäu und liebe Grüße,
Susi