Die „Mutter“ aller Roadtrips: Baja California mit Kindern
Diese Straße ist eine Legende.
1600 Kilometer Wüste, Wildnis, Weite und WALE! Ein Traum für Motorradfahrer, Wohnmobil-Reisende, Wildcamper und Fernradler, aber auch für Familien?
Für uns war die Baja California schon rein geographisch der einzig logische Abschluss unserer Mexiko-Durchquerung von Süd nach Nord. Die zweitgrößte Halbinsel der Welt ist nicht nur der reizvollere Weg zu unserem nächsten Ziel Kalifornien, sondern zur Zeit auch sicherer als die „Festland-Variante“. Dennoch hatten wir ordentlich Respekt vor den langen Strecken und der menschenleeren Wüste, die es zu durchqueren galt.
Würde unser (wie immer dubioser) Mietwagen den Straßen gewachsen sein? Würden sich die Kinder auf stundenlangen Fahrten durch die Einöde todlangweilen? Würden wir hunderte Kilometer von der nächsten Werkstatt entfernt in einem Funkloch liegenbleiben? Waren vier Wochen Wüste nicht ein bisschen zuviel?
Sämtliche Zweifel sollten sich als unbegründet erweisen. Unser Roadtrip wurde für alle Beteiligten (auch die kleinsten) zum eindrucksvollsten Teil unserer Mexiko-Reise!
Was uns wirklich vom Hocker riss, war nicht die berühmte Südspitze um Los Cabos mit ihren Luxusvillen, Gourmet-Restaurants und Traumstränden, obwohl wir es uns dort einige Tage lang äußerst gut gehen ließen.
Es waren auch nicht unbedingt die charmanten Oasen-Dörfer des Südens, wie das künstlerische Todos Santos (mit dem berühmten „Hotel California“) oder das kuriose Santa Rosalia voll verrosteter Lokomotiven und verfallener französischer Architektur, obwohl all diese Orte einen ganz eigenen Charme besitzen.
Schon gar nicht waren es die gottverlassenen staubigen Wüstenkäffer weiter nördlich mit ihrer Handvoll windschiefer Häuser, verlassener Tankstellen, streunender Hunde und Zäunen aus alten Autoreifen, wo nicht mal eine Tasse Kaffee aufzutreiben war.
Es war die Straße, die uns völlig in ihren Bann schlug.
Eine Straße, wie sie grandioser nicht verlaufen könnte. Eine Straße, die Autofahren zum puren Genuss werden lässt. Ähnliches kannte ich bisher nur aus den USA.
Nie hätte ich erwartet, dass die Landschaften hier genauso großartig sein würden wie im Wilden Westen. Nie hätte ich gedacht, dass eine Strecke, die nur durch menschenleere Wüste führt, derart abwechslungsreich und beeindruckend sein könnte.
Die „MEX 1“ ist die Straße aller Straßen in Mexiko.
Nicht nur kreuzt sie ständig zwischen dem warmen, ruhigen Cortez-Meer und dem rauen, wilden Pazifik hin und her. Sie verläuft auch auf Bergrücken und an steilen Abhängen entlang, denn die Baja ist alles andere als eine flache Wüste. Mal türmen sich Berge aus riesigen Felsbrocken oder gewaltige erloschene Vulkane vor einem auf. Dann wieder erstreckt sich der Horizont so weit, dass man die Erdkrümmung zu sehen glaubt. Vom nächsten Hügel eröffnet sich auf einmal wieder ein Blick aufs stahlblaue Meer voll wilder, unbesiedelter Inseln.
Und dann die Kakteen! Haushoch, manchmal breit wie Bäume, manchmal dünn und kahl wie Telegrafenmasten überziehen sie die Landschaften. Es müssen Millionen sein, bis an den Horizont, in alle Himmelsrichtungen nichts als Kakteen !
Jeder Tag war spannend, jede neue Wegkrümmung eine Verheißung. Unentwegt starrten wir aus dem Fenster, um keinen der immer neuen skurrilen Ausblicke zu verpassen.
Zugegeben, das war nicht der Teil, der unsere Kinder begeisterte. Was nicht heißen soll, dass die Baja nicht familientauglich ist. Wer wie wir genug Zeit mitbringt, kann die Strecke in bequeme Häppchen unterteilen, länger als drei Stunden fuhren wir nie am Stück. Und außerhalb des Autos bekamen auch die Kleinen Großartiges geboten.
Die Pazifikküste der Baja gehört von Dezember bis März zu den besten Whale-Watching-Spots der Welt. In Puerto San Carlos begleiteten wir im Morgennebel stundenlang eine Grauwal-Mutter mit ihrem Baby . In Guerrero Negro tummelten sich so viele dieser gewaltigen Tiere, dass man oft nicht wusste, in welche Richtung man zuerst schauen sollte. Und obwohl Grauwale keine spektakulären Sprünge darbieten (wie etwa Buckelwale), waren unsere Mädchen fasziniert von den gewaltigen, bis zu 15 Meter langen, grauen Rücken, die da aus den Fluten auftauchten.
Auf der Baja ist Whale Watching eine rustikale Angelegenheit in kleinen Fischerbooten mit harten Holzbänken, doch entgegen unseren Befürchtungen lag genau darin der Reiz für unsere Kinder. Vorne im Bug hielten sie Ausschau, entdeckten die Walfontänen oft als erstes und jauchzten vor Freude, wenn zur Krönung dann auch noch ein paar Delfine neben unserem Boot hersprangen.
Auch im Cortez-Meer lassen sich fantastische Bootstouren unternehmen. Mein persönliches Baja-Highlight war die riesige,wilde, zerklüftete Insel Espiritu Santo bei La Paz. Dort kann man nicht nur mit Walhaien (den größten Fischen der Welt) schnorcheln.
Wir schwammen dort auch mit Seelöwen und plantschten an weißen Puderzuckerstränden mit Südsee-Flair im klarsten Meerwasser, das ich je gesehen habe. Um Fische zu beobachten, brauchte man dort keine Taucherbrille. Man musste sich nur hineinstellen und nach unten schauen.
Überhaupt sind es die Strände, die die Baja auch zu einem Kinderparadies machen. Am Pazifik finden sich endlose, völlig unerschlossene Strände mit hoher Brandung. Perfekt zum Herumtollen, Surfer beobachten und Strandgut sammeln, auch wenn sich dort schon mal Geier über einen toten Seehund hermachen.
An der Ostküste dagegen gibt es traumhafte seichte Buchten, wo Kinder stundenlang im warmen Cortez-Meer plantschen können. Oft sind die Strände dort übersät von Millionen herrlichster Muscheln. (Wir brauchten alle unsere Überredungskünste, damit die Kinder sie nicht eimerweise abtransportierten.)
Und das Beste daran: Man teilt sich diese Naturparadiese höchstens mit zwei oder drei Wohnmobilen, die dort direkt auf dem Sand parken, manchmal für ein wochenlanges Robinson-Leben. Wir lernten dort unter anderem ein deutsches Paar kennen, das seit elf(!) Jahren mit seinem selbst gebauten „Wohn-Lastwagen“ um die Welt fährt und gerade zum zweiten Mal auf der Baja überwinterte. In einer anderen einsamen Bucht trafen wir auf zwei junge Segler aus Las Vegas, die gerade zu einer fünfjährigen Weltumrundung mit eigenem Boot gestartet waren.
Wer die Baja California mit Kindern bereist, der kann seinem Nachwuchs noch zeigen, wie Strände eigentlich aussehen sollten oder überall einmal aussahen, bevor es Bettenburgen, Liegestuhl-Verleihe, Jetskis und Beach-Clubs gab. Natur pur, in wilder, reiner, wunderschöner Form – hier gibt es sie noch, und welchem Kind tut das nicht gut?
Für uns waren die vier Wochen auf der Baja California ein krönender und entspannter Abschluss unserer vier Monate in Mexiko.
Und jetzt sagen wir : GRACIAS, MEXICO!
Danke, Mexiko, für deine Freundlichkeit und deine Wärme, für deine bezaubernden Landschaften und hilfsbereiten Menschen.
Danke für deinen ewig blauen Himmel und deine Millionen Farben.
Danke, dass wir uns jeden einzelnen Tag sicher und willkommen gefühlt haben.
(Ach ja, und entschuldige, dass wir uns mit deinem Essen nicht anfreunden konnten).
Morgen werden wir die Grenze von Tijuana nach San Diego überqueren, mit einem Schatz voller Erinnerungen und guter Erfahrungen, aber auch voller Vorfreude auf drei Monate in einem weiteren großartigen Land auf diesem herrlichen Planeten.
1. Juni 2016 at 0:44
Ich finde euren Blog klasse! Bin durch Zufall drauf gestoßen und war bis zum Januar selbst noch in Mexico unterwegs. Als Austauschstudent in Puebla. Klar reist man als Student noch etwas anders, aber euer Blog hat mich so ins Schwelgen an die tollen Erinnerungen gebracht, dass ich mich problemlos einmal durch eure gesamten Mexiko-Reiseberichte durchgeklickt habe.
Und ich kann nur sagen, dass ihr die wichtigsten und schönsten Orte und zwar fast ausnahmslos alle mitgenommen habt, die ich auch bereist habe. Okay es gibt natürlich immer noch viel mehr: Geheimtipps für den geneigten Nachahmer sind Abstecher nach Bacalar und Huasteca Potosina. Aber so wie ihr das Land beschreibt, so habe ich es auch erlebt. Einzig einen solchen Blog einzurichten habe ich trotz Ambitionen nicht umgesetzt. Deshalb Respekt für den Blog und ich hoffe, dass ich irgendwann einmal (in seeehr ferner Zukunft) mit meinen eigenen Kindern genauso Reisen werde!
8. Juni 2016 at 4:44
Vielen Dank für den netten Kommentar! Wenn es dann soweit ist mit den Kindern, helfe ich gerne mit Tipps weiter:) Bacalar hatte ich eigentlich auch auf dem Plan, aber mit Kindern läuft leider nicht immer alles nach Plan. Das war aber bestimmt nicht unsere letzte Mexiko-Reise!