Laute Nacht, Heilige Nacht – Mexikanische Festtage in San Cristobal
Das klang doch wirklich verheißungsvoll:
In nur drei Stunden von der Saunaschwüle Palenques ins kühle Hochland von San Cristobal de las Casas auf 2100m Meereshöhe.
Doch, oh weh: Vor die erfrischende Bergluft haben die Mexikaner Tausende von „TOPES“ gesetzt, das Grauen jedes Autofahrers. Gefühlt etwa alle 200 Meter einen. Dabei handelt es sich um Bodenwellen von oft erschreckendem Ausmaß, die jedem deutschen Auto den Garaus machen würden: „ARR, Achtung, schon wieder einer..ARR!.. Sch… Da, noch einer, Kinder, festhalten, nicht schon wieder, ARR…“…
So kamen wir im Kriechtempo erst sechs Stunden und etwa 6000 Topes später ans Ziel, nach einer landschaftlich eindrucksvollen Fahrt durch die Berge von Chiapas. Die erschreckende Armut in diesem südlichsten Bundesstaat Mexikos war dabei nicht zu übersehen. Viel scheinen die Zapatisten in ihrem jahrelangen Kampf für mehr soziale Gerechtigkeit hier nicht erreicht zu haben. Manchmal spannten zerlumpte Kinder Schnüre über die Straße, um die Autofahrer zum Kauf von Bananen oder Tortillas zu zwingen.
Dafür hatte ich sehr viel mehr Verständnis als für einen weiteren dreisten Hertz-Mitarbeiter, der uns zum Abschluss unserer Fahrt noch einen angeblich leeren Tank in Rechnung zu stellen versuchte, obwohl wir gerade fünf Minuten zuvor vollgetankt hatten. Wir waren heilfroh, als wir unseren Mietwagen los waren und richteten uns erleichtert für zwei autofreie Wochen in unserer wundervollen Airbnb-Wohnung ein.
San Cristobal hat kaum Sehenswürdigkeiten, aber einen ganz eigenen Charme, der schwer in Worte zu fassen ist. Vielleicht sind es die klare Luft, der strahlend blaue Himmel und die erfrischend kühlen Nächte in dieser Höhe. Vielleicht sind es die zahllosen Indigenas in ihren bunten Trachten, die jeden Tag aus den umliegenden Dörfern in die Stadt strömen, in der Hoffnung auf ein Geschäft mit den Touristen.
Oder vielleicht die niedlichen Gässchen mit ihren bescheidenen, farbenfrohen Fassaden, hinter denen sich oft erstaunlich prächtige Anwesen auftuen? Oder liegt es an dem Augenschmaus der indianischen Märkte, auf denen sich die herrlichen Webarbeiten der Einheimischen türmen, aber auch chaotische Berge von Gebrauchsgegenständen aller Art. Es mag auch der köstliche Kaffee aus Chiapas sein, der in den vielen gemütlichen Cafés so liebevoll ausgeschenkt wird.
All das trägt mit Sicherheit zum „Wohlfühlfaktor“ in San Cristobal bei. Doch -ich muss jetzt ein Geständnis machen, alle Nicht-Eltern bitte weghören- das absolute Sahnehäubchen auf unserem Aufenthalt waren die zahllosen Spielzimmer (jawohl: SPIELZIMMER), die hier jedem zweiten Restaurant angegliedert sind, manchmal inklusive kostenloser Kinderbetreuung. Spielplätze, wie wir sie in Europa kennen, sind in Mexiko ja Mangelware, aber was ist Tupperdosenfraß auf der harten Spielplatzbank gegen ein gepflegtes Essen zu zweit, während die Kleinen überglücklich und gut behütet nebenan toben? Ich gebe es unumwunden zu: Ein Großteil unseres Aufenthalts in dieser Stadt bestand aus endlosen, entspannten Café-Stunden. (Der oben erwähnte Mangel an Sehenswürdigkeiten kam uns dabei sehr entgegen.)
Zu einem Ausflug haben wir uns dann doch aufgerappelt und es nicht bereut. Der grandiose Sumidero-Canyon liegt fast vor den Toren der Stadt. Leider wird diese gewaltige Schlucht (vor allem jetzt zur mexikanischen Hochsaison) von viel zu vielen Motorbooten befahren, was das Naturerlebnis etwas schmälerte. Unsere Mädchen hatten dennoch großen Spaß an der rasanten Fahrt, zumal am Ufer Affen und sogar ein Krokodil zu beobachten waren. Auch die imposanten Felswände, die sich mit fortschreitender Fahrt immer enger zusammenschoben, machten ihnen Eindruck.
Fragt man aber unsere Kleinste, was ihr in San Cristobal am besten gefallen hat, so kommt wie aus der Pistole geschossen.“Indianer-Theater!“
Dabei handelte es sich um „Palenque Rojo„, die aufwendig inszenierte, musikalisch und tänzerisch untermalte Geschichte Palenques. Ein (wie bei den Maya nicht anders zu erwarten) recht blutrünstiges und unheimliches Spektakel, doch unsere Dreijährige strahlte die wilden Krieger entzückt an und verlangte am nächsten Tag einen weiteren Besuch. Sie hat hier in Mexiko ein Faible für alles Indianische entwickelt. Mal sehen, was daraus noch wird…..
Ach ja, es war auch noch Weihnachten, doch eine adventliche Stimmung wollte sich bei uns nicht richtig einstellen unter der strahlenden Sonne Mexikos. Nicht, dass sich die Mexikaner lumpen ließen mit ihrer Weihnachtsdeko. Neben den vielen Weihnachtsbäumen (teils fantasievoll aus Palmwedeln zusammengesetzt) fanden sich auf allen öffentlichen Plätzen riesige, manchmal sogar begehbare Krippen.
Was es nicht gibt ist ein ruhiger, besinnlicher Heiligabend, denn Mexikaner sind der Auffassung, dass der Geburt Christi ein mindestens ebenso großes Feuerwerk gebührt wie dem neuen Jahr. Und so begann schon Tage zuvor ein allnächtliches Geballere, das sich am 24. zur Lautstärke einer deutschen Silvesternacht steigerte, dann wieder etwas abflaute, um am 31. erneut zu Höchstform aufzulaufen.Überhaupt sind mexikanische Nächte laut, schon allein wegen der hiesigen Hähne, die noch nie etwas davon gehört haben, dass ein anständiger Gockel erst zum Sonnenaufgang kräht. Und irgendwo ist immer eine Fiesta: In der Silvesternacht wurden wir von links mit Mozarts Requiem beschallt und von rechts mit dem neuesten Mexiko-Pop. Da saßen wir allerdings gerade selbst feucht-fröhlich inmitten der Familienfeier unserer Vermieter und genossen die vereinten Kochkünste sämtlicher Tanten und Omas dieser weitverzweigten, sympathischen Sippe.
Am Ende fiel uns der Abschied von San Cristobal nicht schwer, was nicht an der Stadt lag, sondern nur an unserer noch lange nicht gestillten Reiselust. Wir wollten mehr sehen von diesem großartigen Land. Zwei Wochen an einem Ort kamen uns unendlich vor. Da auch die Kinder noch keine Ermüdungserscheinungen zeigten, buchten wir frohgemut eine zweitägige Busfahrt an die Pazifik-Küste.
Wie wir das wegsteckten und was uns dort an (guten und bösen) Überraschungen erwartete, darüber mehr im nächsten Beitrag.
11. Januar 2016 at 22:06
Vielen Dank für Deine spannenden Berichte. Diesmal sogar mit cliffhanger… Ich kann es kaum erwarten, von Euren neuen Abenteuern aus dem öden Alltag gerissen zu werden.